ars viva 2024 -  Atiéna R. Kilfa, Daniel Lie, caner teker

13/10 - 10/12/2023

Rudolf-Scharpf-Galerie 

Seit 1953 wird der ars viva-Preis vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft an herausragende junge, in Deutschland lebende Künstler:innen vergeben. Damit fördert der Kulturkreis seit nunmehr 70 Jahren wegweisende Positionen der Gegenwart, darunter Künstler:innen wie Georg Baselitz, Marina Abramović & Ulay, Omer Fast, Jeanne Faust, Candida Höfer, Rosemarie Trockel und Wolfgang Tillmans. Im Fokus der Jury stehen Arbeiten, die eine eigenständige Formsprache und ein Bewusstsein für gegenwärtige Fragestellungen in Bezug zur (Kultur-)Geschichte erkennen lassen.
Die Jury hat sich in diesem Jahr zusammengesetzt aus den Koopertationspartner:innen Dr. Astrid Ihle (Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen), Luisa Ziaja (Belvedere 21, Wien, Österreich), Nicolaus Schafhausen und Kitty Scott (Fogo Island Arts, Kanada), Lisa Gersdorf (frieze Magazine) sowie den Mitgliedern des Gremiums Bildende Kunst des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft unter dem Vorsitz von Ulrich Sauerwein sowie Min-young Jeon (Kulturkreis der deutschen Wirtschaft) und Anna Goetz (Marta Herford) als Fachberaterin.

In diesem Jahr werden Atiéna R. Kilfa, Daniel Lie und caner teker mit dem ars viva-Preis 2024 ausgezeichnet.

Atiéna R. Kilfa erforscht anhand der Medien Fotografie, Skulptur, Video und Installation die Wahrnehmung medialer Bilder sowie die Verschränkung von persönlicher und kultureller Erinnerung: Wie werden anhand filmischer Techniken Momente ästhetischer Erfahrung auf visueller und akustischer Ebene gesteuert? Worauf rekurrieren diese Techniken nicht nur filmhistorisch, sondern auch mit Blick auf die Kulturgeschichte? Zentrale Referenzen in ihren Arbeiten bilden Schaufensterpuppen aus den 1960er- und 1980er-Jahren, die nach realen Vorbildern gefertigt wurden. Die als fortlaufende Serie konzipierte fotografische Arbeit You look lonely (seit 2020) zeigt eine weibliche Schaufensterpuppe mit dunklerer Hautfarbe in unterschiedlichen Szenen des häuslichen Alltags. An der Schwelle zwischen Porträt und Animation, weckt Kilfas Inszenierung unweigerlich Assoziationen an filmische Narrative und Referenzen, wie zum Beispiel die des Avatars (worauf auch der Titel der Serie, der dem Film Blade Runner (1981) entlehnt ist, verweist). Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien setzen Kilfas Beschäftigung mit den Posen und Gesten von Schaufensterpuppen fort und werden durch eine skulpturale, ortsspezifische Intervention ergänzt.

Daniel Lies Werk umfasst Performances, Illustrationen und raumgreifende Installationen. 'Nicht-menschliche-Wesen' wie etwa Bakterien, Pilze, Pflanzen und Mineralien sind die Akteure in Lies Werk, die nicht selten als Visualisierung des Prozessualen den Verfall in Szene setzen. Natürliche Zyklen der Transformation sowie die gegenseitige Abhängigkeit innerhalb ökologischer Austauschprozesse werden eindrucksvoll sichtbar gemacht. Dabei wird mittels der Ökosysteme die Koexistenz verschiedener Lebewesen in den Fokus der Wahrnehmung gerückt. Die hier gezeigten, in Kurkuma gefärbten modularen Stoffteile entstammen der Installation The Unloved Ones (2023). Teilweise enthalten die Stoffe, die an Hängematten oder Flaggen erinnern, Taschen, die mit pflanzlichen Materialien wie Erde, Heu, Stroh oder Lavendel gefüllt sind. Lie deutet diese Materialien als pflanzliche Heilmittel, über die Erinnerungen hervorgerufen und Verbindungen kommuniziert werden können. In der Ausstellung in der Rudolf-Scharpf-Galerie finden sie in neuer Präsentationsform ein Eigenleben als eigenständige Werke.

caner teker setzt sich mit den Mitteln der Performance mit der intersektionalen Verschränkung von Identität, Arbeit und Postmigration im Kontext persönlicher Erfahrung und Familiengeschichte auseinander. Körper "jenseits des Mainstreams", die tekers "Idealbild des Queeren, Antikapitalistischen, Intersektionellem sowie Transformativem" entsprechen, stehen im Fokus der Performances. In der Rudolf-Scharpf-Galerie wird tekers fortlaufende Serie TOOLS FOR ANARCHIVING mit gravierten Spiegeln, Natriumdampflampen sowie einem türkischen Dudelsack, bestehend aus einem ledernen Schafskörper, präsentiert. Die Gegenstände nahmen einst als Teile der Performance trans— (2021) – in der teker übergeordnete Themen wie Männlichkeit, Clubkultur, Identitäten und soziale Abhängigkeiten reflektiert – eine aktive Rolle ein, wobei das Spiel auf dem türkischen Dudelsack wiederum Anleihen eines vermeintlichen Orientalismus bot. Im Ausstellungskontext werden sie zu Forschungsobjekten, anhand derer sich teker mit der Idee des Archivs auseinandersetzt.

 

Die ars viva-Preisträger*innen 2024

Atiéna R. Kilfa, 1990 in Paris, FR, geboren. Sie lebt und arbeitet derzeit in Berlin. 2022 hat sie an der Städelschule in Frankfurt ihr Studium der Bildenden Kunst abgeschlossen. Ihre Arbeiten waren zu sehen in Gruppenausstellungen bei Escape Arlaud, Lausanne, CH (2019), Elvira, Frankfurt, DE (2021) und auf der Expo Chicago, Chicago, US (2022). Einzelausstellungen hatte sie im Cell Project Space, London, GB (2020), auf der Liste Art Fair, Basel, CH (2021) und im KW Institute of Contemporary Art, Berlin, DE (2022).

Daniel Lie, 1988 in São Paulo, BR, geboren, ist trans-nonbinär und lebt und arbeitet in Berlin. 2013 schloss Lie ein Studium der Bildenden Künste und Didaktik an der São Paulo University in Brasilien ab. Es folgte das Darmasiswa Indonesian Scholarship, ein einjähriges Fellowship Programm für traditionellen indonesischen Tanz in 2019. Lies Arbeiten waren in Gruppenausstellungen in der Berlinischen Galerie, Berlin, DE (2021), dem Berlin Atonal Festival, Berlin, DE (2021), auf der Sculpture Garden, Geneva Biennale, Genf, CH (2022) und der Singapore Biennale, SG (2023) vertreten. Einzelausstellungen von Lie waren zu sehen im Künstlerhaus Bethanien, Berlin, DE (2021), in der KfW-Stiftung, Frankfurt, DE (2022) und im New Museum, New York, US (2022). 2021 realisierte Daniel Lie mit Rotten-TV ein digitales Projekt unterstützt durch den British Council Digital Fund.

caner teker, 1994 in Duisburg, DE, geboren, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Berlin. 2019 schloss teker als Meisterschüler:in ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf ab. Im Anschluss folgte ein zweijähriges postgraduales Studium an der SNDO - School for New Dance Development in Amsterdam. caner teker hatte zahlreiche Performances, u.a. im tanzhaus nrw und Hau - Hebbel am Ufer, Berlin, DE (2021), im Rahmen von Berlin Atonal x Julia Stoschek Collection, Berlin, DE (2021), Tanzquartier Wien, AT (2022), Maxim Gorki Theater, Berlin, DE (2022) und in der Neuen Nationalgalerie, Berlin, DE (2022). Ausgezeichnet wurde teker u.a. mit dem Förderpreis für Nachwuchskünstler:innen in Bildender Kunst vom Land Nordrhein-Westfalen (2017) und dem Förderpreis der Stadt Düsseldorf (2020). Stipendien und Residenzen hatte teker vom Ministerium für Kunst und Wissenschaft, NRW (2020), dem PACT Zollverein, Essen, DE (2022) sowie für 2023 von der Kunststiftung NRW und der Kunsthalle Bergen in Norwegen.

Zum Kulturkreis der deutschen Wirtschaft

Der Kulturkreisder deutschen Wirtschaft ist die traditionsreichste Institution für unternehmerische Kulturförderung in Deutschland. Mit den Mitgliedsbeiträgen und Spenden seiner rund 400 Mitglieder – darunter die führenden Unternehmen Deutschlands – fördert er seit 1951 Kunstschaffende in den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Literatur und Musik. Als bundesweites unabhängiges Netzwerk vereint er kulturell engagierte Unternehmen, Wirtschaftsverbände, unternehmensnahe Stiftungen und Unternehmerpersönlichkeiten. Er thematisiert unternehmerische Kulturförderung, vertritt kulturpolitische Interessen seiner Mitglieder und setzt sich für eine Gesellschaft ein, in der Kunst und Kultur als unverzichtbare Ressourcen verstanden werden.

Ausstellungsansichten ars viva 2024